Tag

Indes wie blasser Kinder Todesreigen
Um dunkle Brunnenränder, die verwittern,
Im Wind sich fröstelnd blaue Astern neigen.
(Georg Trakl)

„I see the Stars come out at night.“

(The Passenger/Iggy Pop)

Wie immer klingelte der Wecker um 6Uhr. Das war nicht tragisch. Vier Stunden reichten manchmal. Außerdem war heute Freitag. Jetzt aber los. Er stand auf. Zeit war mal wieder knapp. Toilette, Hände waschen, Küche, Schulbrot machen. Alles ganz automatisch. Tägliche Routine.

Er weckte die Prinzessin 10 Minuten vor der Zeit. Sonst bekam er sie nicht aus dem Bett. Auch das wusste er. Sie war keine Prinzessin. Gerade deswegen nannte er sie so. (Natürlich auch, um den König zu ehren.) Doch nun war es Zeit sich, anzuziehen und loszukommen.

Sie aßen beide nicht viel morgens. Es ging nicht. Wenigstens bekam sie heute einen Kakao runter. Das war schon etwas. Und nach 10 Minuten konnte sie auch schon reden. Sie erklärte die Welt, nahm die Entschuldigungen mit einem: „Macht nichts, Papa.“ an. Alles in allem, funktionierte alles an diesem Morgen. Gottseidank. Er gähnte.

Sie hatten 10 Minuten zu gehen. Weiterhin quasselte sie. Er schwieg. Er redete eh nicht viel. Sie schien es nicht zu stören. Er hoffte es zumindest.. Es war noch genug Zeit sich den wunderschönen Sommerhimmel anzuschauen. Beide lächelten.

Als Jugendlicher hatte er oft mit Freunden aus seiner Schule an einem See gesessen. Sie hatten Feuer gemacht und Bier getrunken. Er hatte keine Sehnsucht, wieder Jugendlicher zu sein, da er linkisch und verschlossen gewesen war, aber es kam ihm so vor, als wäre er damals nicht so müde gewesen. So müde und lustlos, wie er seit langen war. Nicht das er sein Leben nicht gemocht hätte. Er mochte es Vater zu sein. Er mochte die Gespräche, die er im Internet mit Freunden hatte. Er vermisste nichts. Nichts, was er benennen konnte. Er zuckte die Achseln und ging weiter.

Er gab Lilly am Schultor ab. Kurze Verabschiedung diesmal, sie traf eine Freundin. Er blieb kurz noch stehen, dann ging er zum Bäcker um Brötchen zu holen. Dabei traf er Lydia. Sie war die Mutter einer Klassenkameradin, oder Freundin oder Feindin seiner Tochter. Er stieg da nicht durch. Er begrüßte Lydia. Sie lächelte ihn an.Er kaufte hier immer Brötchen um diese Zeit, aber er hatte sie noch nie gesehen. Sie kaufte die zwei Mehrkornbrötchen und verabschiedete sich lächelnd von ihm.

Zuhause machte er sich sein Frühstück. Dabei sah er aus dem Fenster. Er musste bald los. Für einen kurzen Moment überlegte er sich Zuhause zu bleiben. Dann ging er los. Als er über die Brücke kam, schaute er, wie immer, auf den Fluß, den er überquerte. Er schloss die Augen und sah für eine kurze Zeit das Meer. Hörte und roch es. Dann ging er weiter.

Der restliche Tag war gefüllt mit schmutzigen Tellern und den immer gleichen Handbewegungen. Es erfüllte ihn mit Ruhe. Seine Gedanken schweiften nicht ab. Da er nicht rauchte, machte er nicht einmal Raucherpausen. Er unterhielt sich kaum mit dem Mitarbeitern. Nicht aus Desinteresse, er mochte einfach das stille Arbeiten. Er war beliebt, aber er wusste es nicht.

Er war spät dran, als er sie von der Schule abholte. Sie beschlossen schnell heute Eis zu essen. Schweigend aßen sie auf dem Weg.

Der Abend verging mit Fernsehen, Abendbrot und einer Geschichte von einem Bären, der Freundschaft mit einem Hasen schloss. Die Prinzessin hatte heute keine Probleme ins Bett zu gehen. Der Tag war ruhig gewesen und endete ruhig. Er räumte das Geschirr zusammen, öffnete zwei Biere und machte das Wohnzimmerfenster auf. Dort stand sein Nachbar.

„Hallo.“, sagte er. „Hallo.“, antwortete der Nachbar. Sie tranken eine Weile schweigend.
„Du solltest mehr rausgehen.“
„Fang du nicht auch noch an.“ Er war müde und wollte sich eigentlich nicht mehr unterhalten.
„Ok. Aber ich habe recht.“
„Du klingst wie meine Mutter.“
Der Nachbar lachte. Sie tranken weiter.
„Lydia steht auf dich.“
„Quatsch.“
„Kein Quatsch.“
„Und selbst wenn, soll ich jetzt eine Gitarre nehmen und vor ihrem Fenster singen?“
„Nein, aber du könntest mal mit ihr reden.“
„Ich bin müde.“
„Das bist du immer.“
„Ich weiß“
Sie tranken weiter und sprachen nichts mehr. Draußen ging die Sonne unter. Die Prinzessin schlief, die Luft war lau. Er dachte über Lydia nach.

Bilder

Ich wollte nur kurz drauf hinweisen das mein Text Lena und Linus jetzt mit einem Bild von einer sehr netten Künstlerin, die ungenannt bleiben möchte, illustriert ist. Ich danke sehr dafür.

Ach ja: Wenn ihr Lust habt, schickt mir doch ein Foto, ein Bild was eine meiner Geschichten bebildert. Würde mich sehr freuen!

(Öhm, zahlen kann ich nix…)