Manchmal

Ich hatte Absinth
getrunken und
gut gegessen. Die
Sonne ging mit einem
satten rosa unter und ein
gebraucht gekaufter MP3Player
spielte Joy Division.
In dem Buch was ich las,
ging es um Musen und
Fabeln.
Ich war bestimmt nicht
der coolste aber da.
Ganz da.
Ich könnte bestimmt
etwas lernen daraus,
aber manchmal
muss man verdammt nochmal
die Klappe
halten.

Gebet an eine Krähe

Während ich in diesem
alten Berliner Zimmer sitze,
kommt draußen ein Wind auf
und ich höre die Krähen.
Es ist heiß und wer weiß schon
was morgen ist und wo
die Krähen dann sind und meine Gedanken.
Ich komme nicht von der Stelle
höre noch ein altes Lied und wer weiß schon
was morgen ist und wo die
Sonnenblumen dann sind und die
Kamele und was ich machen
werde wenn ich wieder denken kann.
Und vielleicht zögere ich
zu lange oder gar nicht und
wer weiß schon was morgen ist und
ob es nicht besser wäre wenn es regnen
würde.
Und wie gerne würde ich mit dir sprechen.
Über Krähen und Sonnenblumen und
meine Gedanken und den Regen und
wer weiß schon was morgen sein wird und
ob es dann nicht einfach gut ist.
So.

Die Wand

Er liegt verschwitzt
auf der Seite und starrt an
die weiße Wand und dreht
dem Fenster den Rücken
zu.

Er denkt an die Nacht
in der er dort jemanden
sehen konnte und
berühren.

Das passierte nicht
oft und plötzlich sehnt
sich seine Hand etwas zu
berühren was keine Wand
ist und nicht so weiß.

Er schweigt, liegt
auf der Seite und schwitzt
und träumt von Haut und
einer Geste.

Er hofft bald einzuschlafen.

Der Westen

Es war ein regnerischer Sommer. Trotzdem gab es  zwischendurch ein paar sonnige Tage. Tage in denen sich die Luft anfühlte wie ein Klischee. Ein Klischee des Sommers. Ich hatte gerade einen Teil meines Lebens beendet und wusste noch nicht genau was ich nun anstellen sollte. Hauptsächlich war ich die ganze Zeit müde. Alles was ich tat, aufräumen, Geschirr spülen, kochen, strengte mich so sehr an, dass nichts mehr für anderes übrigblieb.
Auch nicht für andere Menschen. Ich blieb also allein. Redete nur mit den Verkäuferinnen oder wenn ich angesprochen wurde. Nicht mal mit meinen Kollegen ergab sich ein längeres Gespräch. Das war ok für mich. Ich war gerne alleine. Nur manchmal hatte ich eine Ahnung davon, das es die Einsamkeit war die mich so anstrengte. Aber darüber dachte ich nicht nach.
Obwohl es ständig schien als wäre ich in Gedanken – selbst mir schien es so – hätte ich nie sagen können WAS ich gerade dachte. Mein Denken lief aus dem Ruder, hatte keine Richtung. Oder ich blieb an einem Gedanken hängen. Manchmal gar an einem einzigen Satz, den ich dann immer und immer wieder dachte. „Ich kann nicht mehr.“, war so ein Satz. Er stimmte nicht. Ja, ich war müde, aber ich wollte nicht aufgeben. Es gab nicht einmal etwas was ich hätte aufgeben können. So sah es mit mir aus als ich sie traf.
Ich hoffe, sie erwarten nach diesen Worten keine Liebesgeschichte.  (Eines der Dinge die ich in meinem „alten“ Leben hinter mir gelassen hatte, war ja der Wunsch nach menschlicher Interaktion gewesen.)  Um ehrlich zu sein, habe ich sie nicht einmal bemerkt als sie sich neben mich setzte. Und ihr ging es, glaube ich, genauso.
Es war einer der sonnigen Tage und ich setzte mich nach Feierabend noch auf eine Parkbank. Ich genoss das Licht. Es war dieses Sommerlicht, dass es nur  einem dieser Tage die unendlich scheinen zu geben scheint. Einem dieser Tage an die man denkt, wenn man „Sommertag“ hört und die sich in der Erinnerung immer so entsetzlich kitschig anfühlen. Sie sind es aber nicht. Ich schloss meine Augen und atmete tief ein. Um mich herum der typische Parklärm. Menschen, die sich Frisbees zuwarfen. Schäfchenwolken über allem.
Ich fragte mich gerade, ob ich das alles wirklich schön fand, da hörte ich eine Stimme hinter mir. Die Stimme sprach nicht zu mir, sie sprach zu niemanden, sie las sich etwas vor. Ein Gedicht, einen Text. Sie las nicht laut, aber deutlich. Sie las um den Klang des Textes  zu schmecken.
„Der Tod steht heute vor mir,
wie das Genesen eines Kranken
als trete er nach einem Leiden hinaus ins Freie.“
Mir kam es vor, als würde ich den Text kennen, aber es war wie ein Deja vu. Als würde ich nur das Gefühl haben ihn schon einmal gehört zu haben. Als würde ich es mir wünschen.
„Der Tod steht heute vor mir
wie der Geruch von Myrrhen,
als säße man unter dem Segel an einem Tag des Windes.“
Ich drehte mich um, um zu sehen wer den Text las. Sie war jung, höchstens 18. Sie trug schwarzen Samt und saß unter einem schwarzen Sonnenschirm. Ich weiß nicht, wie ich sie übersehen konnte. Sehr vertieft las sie.
„Der Tod steht heute vor mir
wie der Duft der Lotusblumen,
als wohnte man an der Stätte der Trunkenheit.“
Was las sie da? Ich war nahe dran sie zu fragen, aber ich wollte sie nicht unterbrechen. Zu vertieft schien sie in ihrem lesen. Mir fiel das Wort „Priesterin“ ein. Aber das war ja Unsinn. Ich glaubte nicht. Und trotzdem berührte es mich. Irgendetwas starb in mir. Aber das war nichts worüber man weinen musste. Ich beruhigte mich und merkte erst jetzt das ich seit Monaten angespannt gewesen war. Ich hatte es nicht bemerkt.
„Der Tod steht heute vor mir
wie ein Nachlassen des Sturms,
als kehrte ein Mann vom Feldzug nach Hause zurück.“
Ich sah sie immer noch an, sie bemerkte es nicht, was mir einen Moment seltsam vorkam. Aber ich war schnell wieder dem Text. Beziehungsweise was dieser Text in mir auslöste. Er trieb mich an und beruhigte mich. Ich starb um weiterleben zu können. Es war, als ob sie für mich las. (Was nicht der Fall war. Sie bemerkte mich nicht einmal. Sie las mit einer Selbstsicherheit um die ich sie beneidete.)
„Der Tod steht heute vor mir
wie das Hellwerden des Himmels,
als fände jemand die Lösung eines Rätsels.“
Ich legte mich hin. Ich war auf einmal müde. Nicht diese verdrossene leidende Müdigkeit, die ich seit langem spürte. Diesmal war es anders. Ich würde schlafen können. Mich wirklich ausruhen. Für einen Moment wollte ich nichts anderes. Bald würde es weitergehen.
„Der Tod steht heute vor mir
wie der Wunsch eines Menschen, sein Heim
wiederzusehen,
nachdem er viele Jahre in Gefangenschaft verbracht hat.“
In diesem Moment schlief ich ein. Plötzlich, unerwartet, schwer. Es war ein Schlaf wie ich ihn noch nie erlebt hatte. Als ob mich ein Zauber eingeschläfert hatte. Ein Schlaf wie in einem Märchen. Ich träumte von dem Mädchen. (Und ich habe später noch viel von ihr geträumt.) In meinem Traum saßen wir in einem Boot. Es war Nacht und das Wasser was uns umgab war tiefschwarz. Sie ruderte mich. Summte dabei. Es war friedlich. Kühl. Bald würden wir das Ufer erreichen. Aber wir hatten Zeit.
(Der Text den das Mädchen liest ist ein Ausschnitt aus den „Gesprächen eines Lebensmüden mit seiner Seele“, einem altägyptischen Text um 2000 v.u.Z.)

Aufräumen

Den ganzen Schutt
wegräumen. Die
Trümmer entsorgen.
Neue Gedanken
anschaffen.
Alle Empfindungen
auf Tauglichkeit
überprüfen. Alle
Granatsplitter und
Messerstiche aus
der Haut ziehen,
Nerven neu spannen.
Blut tauschen.
Augen reinigen.
Langmut bügeln.
All das Ausgekotzte
aufwischen.
Tief atmen.
Es ist
noch nicht vorbei.